Unser Gehirn ist offen und lernfähig bis zu unserem letzten Atemzug. Dies ist Fluch und Segen zugleich. Die Herausforderung liegt darin, dass uns oftmals nur bedingt bewusst ist, nach welchem Ordnungssystem unser Verstand Situationen und Erfahrungen bewertet und anhand vorhandener Repräsentation im Gehirn ein automatisiertes, unbewusstes Denken, Fühlen und Handeln bewirkt. Das Problem ist, dass uns in vielen Momenten nicht bewusst ist, welche kulturellen Werte - wie Erziehung durch das Elternhaus, durch Gesellschaft und insbesondere durch Schulen - unser Selbstbild (unsere Identifikation) geprägt haben.
Eine Krise, wie wir sie gerade erleben, ist eine Irritation bestehender innerer und äußerer Systeme. Eine Irritation stellt die Möglichkeit dar, Bestehendes zu hinterfragen und zu verändern mehr in Richtung einer Herz-Hirn Kohärenz. Unser Gehirn ist dafür eigentlich bestmöglich geeignet: für das Lösen von Problemen. Man muss jedoch die ‚richtigen‘ Fragen stellen!
Die Hippocampus-Formation ist das Areal des limbischen Systems, das für das Lernen neuer Inhalte verantwortlich und auch in der Lage ist, unvollständige Informationen anhand unseres Vorwissens zusammenzusetzen. Zudem fungiert es als Organisator zwischen den bewussten Anteilen und den eher implizit (unbewusst) arbeitenden Gehirnbereichen. Wird eine Situation nun als Problem wahrgenommen, erfolgt im limbischen System ein Abgleich mit vorhandenen Erfahrungen und auch der emotionalen Voreinstellung. Und genau hier liegt die Kehrseite einer Krisensituation - in einer instinktiven Reaktion des Gehirns auf eine wahrgenommene Bedrohung, die automatisch Erhaltungsmechanismen aktiviert, welche dem Überleben des Organismus dienen sollen.
Das verstärkt jedoch leider tendenziell nur das persönlich empfundene Dilemma. Der Wunsch nach Veränderung nährt innere Widerstände, da wir bildlich betrachtet auf der einen Seite unbewusst bremsen, um zu überleben und gleichzeitig Gas geben wollen, um unsere Situation zu wandeln.
„Probleme kann man niemals durch dieselbe Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)
Wie man jetzt vielerorts beobachten kann, entstehen durch die äußeren Faktoren mehrere Handlungstendenzen: Die einen versuchen es mit Bewältigungsstrategien, indem sie die Situation entweder ignorieren, erstarren oder in einen Aktionismus verfallen. Mehr desselben führt jedoch zu keiner Veränderung, höchstens zu ähnlichen Erfahrungen unter ähnlichen Bedingungen.
Das Empfinden einer Offenheit für Veränderung erfordert nach Rogers, dass ‚günstige‘ Rahmenbedingungen vorliegen, in denen ein Mensch intrinsisch motiviert ist, sich zu entfalten und nicht - wie zunächst instinktiv in einer Krisensituation - in einem Zustand des ‚Überlebens‘ zu verharren.
Gerald Hüther (2006) benennt drei Ebenen von Vertrauen, die eigentlich während der Kindheit entwickelt werden müssen:
Hinderlich für die Ausbildung neuronaler Verschaltungen sind neben Angst, Stress, Überforderung und äußere Druck ebenso wie Unterforderung, Vernachlässigung und mangelnde Anregung.
Die Ausprägung neuer neuronaler Strukturen passiert nicht über Nacht, sondern ist ein Prozess, der am besten gelingt, wenn er über längere Zeit wiederholt wird und kleine und größere Resultate in deinem Leben sichtbar sind. Ein Hadern oder auch auftauchende Schwierigkeiten gehören dazu.
Ich glaube nicht, dass es in einer Krisenzeit um Worte wie ‚Krieg‘‚ gewinnen‘ oder ‚der Feind‘ gehen sollte, sondern vielmehr um die Entwicklung einer persönlichen Haltung der Selbstempathie, des Mitgefühls und einer Tatkraft, die in deinem besten Interesse, aber auch im höchsten Interesse der Gemeinschaft ist.
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Jede Veränderung beginnt mit einer Entscheidung. Es sind jedoch die kontinuierlichen, kleinen Schritte, die den Unterschied machen - für eine bewusste Verbindung mit deinem Potenzial!
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Foto: Unsplash